März

Wie zu erwarten traf Winston Scarsdale in seiner Hausbank einige Herren der Gesellschaft Londons, welche ihn auch sogleich gemessen begrüßten. Man kannte sich schließlich. "Oh Sir Scarsdale, schön sie einmal wieder zu sehen." bemerkte George Grantham, einer der Bürgerlichen die es zu Hoflieferanten gebracht hatte. Wenn Winston sich recht erinnerte verkaufte der Mann Seidenstoffe. Sein Anzug war jedenfalls teuerer als der eines jeden anderen in den Bank. Tiefblauer Samt bildete die reicht mit Goldfäden bestickte Weste deren Knöfpe aus in Silber gefassten Saphiren bestanden. Der Blaue Anzug war aus purer Naturseide geschnitten, das Hemd von feinstem schneeweißen Leinen. George Granham hatte in der Tat das untersetze und dennoch elegante Aufreten eines walisischen Adeligen. "Sagen sie - was ist in London in letzter Zeit wichtiges geschehen. Sie müssen wissen, dass ich mit meiner Frau zu einem längeren Aufenthalt in Cornwall gezwungen war, sie wissen schon ihre Schwindsucht." erklärte er redselig. Winston hingegen wusste recht genau das die Frau besagten Mr. Granthams einen recht lockeren Lebenswandel pflegte und ihr Gemahl sie darum fast stets nach Cornwell verfrachtete, wo sie dem Ansehen seines Geschäfts nicht schädlich sein konnte.

"Dann hoffe ich, dass sie sich schnell erholen wird und es nicht noch schlimmer kommt. Nun es gab wohl einen Brand, der jedoch glücklicherweise gelöscht werden konnte, noch ehe er auf die Nachbarhäuser übergreifen konnte und einen Mord. Niemand aus unseren Kreisen, lediglich eine Prostituierte, aber es soll wohl sehr grausam gewesen sein." bemerkte Winston. Nach einer kleinen Kunstpause fügte er die frage hinzu: "Habt ihr zufällig von veranstaltungen für den heutigen Abend gehört? Sie wissen doch jemand wie ich ist immer erpicht darauf am geschehen von London teilzuhaben." log er dreist.

"Oh - das ist eine gute Frage. Die vornehme Gesellschaft ist ja inzwischen aufs Land entfleucht, offensichtlich hat jeder einen zuverlässigen Verwalter außer mir." stellte Grantham achselzuckend fest. "Ich habe jedoch etwas von einem Banket der Society of Science gehört bei welchem einige Nahmhafte Wissenschaftler Vorträge halten werden. Ich weiß jedoch nicht ob es eine geschlossene Gesellschaft ist, oder ob man jeden Gentleman von Stand freundlich begrüßen wird." erklärte er. "Ich schätze ich werde einfach einmal vorbeifahren - notfalls gibt es ja noch das Globe Theatro - heute geben sie glaube ich Hamlet." führte er aus. "Und wie laufen die Geschäfte? Ich habe Gerüchte gehört, dass sie sich an einer neuen Bahnlinie in Indien beteiligen wollen." merkte er an.

Na großartig. es zwar eigentlich erfreulich, dass ich heute Abend nirgendwo anwesend sein muss, aber doch schon ärgerlich, da es mir im Moment recht wenig ausgemacht hätte. "Das ist nicht ganz richtig. Ich beteilige mich nicht an einer Bahnlinie, ich lasse selbst eine errichten. Von Lahore bis nach Patna, von dort an übernehmen dann die Schiffe den Rest. Nicht gerade ein kleines Unterfangen, aber es scheint auf lange Sicht hin lukrativ zu sein und man versicherte mir auch das Wohlwollen der Krone, eine Bahnverbindung zwischen Seidenstraße und Ozean zu besitzen, um einen Großteil der Landstrecke einzusparen ist schließlich ein bedeutender Vorteil gegenüber den anderen Nationen." So schnell es ging verabschiedete sich Winston und kehrte nach Hause zurück. Was nun? Bereits wieder bei dem Dunhills zu erscheinen wäre etwas zu aufdringlich und mich schon wieder dem Laster hinzugeben wäre unverantwortlich. Was also tun an diesem Abend? Ich denke ich werde die Vorbereitungen für meine Stiftung an das Museum angehen.

John trocknete sich den Kopf ab. Seinen Muskeln brannten von der intensiven dreistündigen Trainingseinheit. "Eh Johnny - gib mal den Einer rüber." wandte sich Scarface Puddle an ihn. Der Dockarbeiter hatte eine sehnige dürre Gestalt der man ihre Kraft nicht ansehen konnte. Er schnappte sich den Eimer und kippte sich das Wasser über die grauen Locken. Die meisten der jungen Mitglieder waren noch damit beschäftig sich mit Übungssäbeln und Schlagstöcken aufzumischen. Mehrere der Gentlemen waren heute ausgegeben worden, scheinbar wurden die Fightclubs bei der jungen Upperclass immer beliebter. Reichten ihnen die Rugbyclubs nicht mehr aus um sich zu prügeln und den harten Mann zu markieren? Diese jungen Schlappschwänze zogen zumeist das Kampfniveau im Club sehr Richtung Erdboden, oder es handelte sich bei den Kerlen um fiese Schufte die nicht trainierten sondern ausschließlich prügelten. Männer die sich einen Dreck um Regeln scherten und ihren eigenen Mitkämpfern die Knochen brechen wollten - dabei sollte das doch ausschließlich beim scharfen Schlagen mit anderen Clubs geschehen. Nun er wurde eben auch schon langsam alt, dachte er sich und legte sein Handtuch um die Schultern. Nun würden sie noch Drakes Geburtstag feiern, der war Wagner im Eastend und demzufolge würden sie auch die dortigen Kneipen unsicher machen. Es wäre eine erfrischende Erfahrung wieder einmal die Straßen seiner Kindheit zu durchwandern, auch wenn diese nicht der beste Teil seines Lebens war. Eine Halbe Stunde später machten sich die Männer, insgesamt sechs an der Zahl auf den Weg ins Eastend. John trug einen knorrigen Stab und einen rauen Cordanzug, wie seine Begleiter.

Winston hatte in der letzen halben Woche nichts außergewöhliches getan. Das Zeigen seiner Präsens in der Gesellschaft und seine Arbeit hatten seine gesamte Zeit vereinnahmt, doch heute Abend gab es kein langweiliges Treffen irgendeines langweiligen Clubs alter Herren, die über belanglose Dinge diskutierten.
Heute Abend hatte er Zeit und die würde er dazu nutzen das Leben einmal wieder zu spüren.
In einer entsprechend relativ unauffälligen Kleidung begab er sich in jene Stadtviertel, in denen Schläger oder Diebe hinter jeder Ecke lauern konnten, wo die Wirklichkeit noch unverblümt wiedergegeben wurde.
Zwar immernoch wie ein Gentleman, allerdings wie einer von niedrigem Stand, gekleidet schritt der durch die Straßen, besah sich die Situation der einfachen Leute hoffte förmlich darauf, dass irgendetwas passierte, als er ein Bekanntes Gesicht in einer Gruppe ihm entgegenkommender Männer erblickte.
Verdammt! Das war doch dieser Vogel! Lord Hawkwell. Das hat mir grade noch gefehlt! Jetzt nur keine auffälligen Bewegungen machen. Ich werde einfach an ihm vorbei gehen und hoffen, dass er mich nicht erkennt.

John seufzte still vor sich hin als Scarface wieder eine seiner Hurengeschichten zum besten gab. Kein wunder das dieser Kerl nicht verheiratet war- nicht einmal eine Dirne würde so einen notgeilen Irren wie ihn heiraten wollen. "Du hast was?" Toby schüttelte sich vor lachen. "Klar hab ich Melly gesagt das ich lieber den Hinteingang eines Esels rannehme als ihre ranzige Fotze. Das Weib könnte meine Mutter sein verdammt." trötete er. "Und dann hat sie mir eine geknallt. Ich sag ja immer Jungs der Stärkste Mann im Bakers." erklärte er mit erhobenem Zeigefinger. "Jungs, das erinnert mich an meine Zeit in Afrika, da hat so ein verdammte Medizinmann es wirklich mit einem Esel - naja. Und könnten wir nicht das Thema wechseln." deutete John an. "Afrika? Du warst in den Kolonien Johnny." fragte Toby aufgeregt, der junge Bursche war im Leben noch nicht aus London rausgekommen und darum ganz wild auf Abenteuerberichte aus den Kolonien. "Sicher- das erzähle ich euch aber nur wenn ich was zu trinken vor mir stehen habe." erklärte er und bemerkte aus dem Augenwinkel eine Gestalt die sich an ihnen vorbeibewegte. Es war jemand der fast schon schlich, wie ein Taschendieb oder jemand anderes mit Dreck am stecken, das hatte John schon vor langer Zeit zu erkennen gelernt. Er drehte den Kopf und entdeckte ein ungemein bekanntes Gesicht. Ihm entgleisten für einen Moment die Züge, hatte er sein Gegenüber doch für einen dieser erzkonsevativen puritanischen Adeligen gehalten. Nun stille Wasser gründen Tief. "Einen schönen guten Abend Sir Scarsdale. Wohin des Weges?" begrüßte er den Herrn. Der Mann hatte ihn hier gesehen und somit musste John ihn wissen lassen das auch er ihn bemerkt hatte. Nicht das der Bursche noch Gerüchte in der feinen Gesellschaft verbreitete, welche besagten das der Lord of Hawkwell sich mit Beutelschneidern und Tagedieben gemein machte.

Verdammt! Er hat mich doch erkannt! Er hat mein Gesicht in der menge der Leute entdeckt und dank meiner markenten Narbe kann ich auch nicht darauf beharen, dass es sich nur um eine verwechslung handelt Winston war nicht gerade glücklich, doch sein Gegenüber schien nur wenig Probleme damit zu haben ihn hier zu sehen, auch wenn er im ersten Moment erschrocken gewesen war.
"Das ich sie hier treffe ist wirklich eine Überraschung." Das war sogar ungelogen.
"Ich wollte mir ein Bild über den jüngsten Zustand unserer geliebten Stadt machen. Mit allen Facetten versteht sich und unverfälscht. Und was schwebte euch im Sinn?" etwas leiser fügte er hinzu: "Und nennt mich doch heute bitte Bradley, es muss ja nicht sofort jeder wissen aus welchem Haus ich komme."
Der ältere Mann war Winston ein wenig Suspekt. Nicht das es Winston in irgendeiner weise gestört hätte, dass er sich mit anderen Leuten wirklich niederer Herkunft umgabe - Winston war der Meinung jeder Mann müsse danach beurteilt werden, was er persönlich erreicht hatte und nicht wer seine Eltern waren, auch wenn dies in vielen Fällen stark voneinander Abhing - oder das er hier wahrscheinlich den Tätigkeiten des einfachen Volkes nachging, das Winston - wenn auch auf andere Weise - ebenso achtete wie den Adel, denn in beiden Schichten gab es wenig wahrhaft edle Menschen und hauptsächlich Abschaum. Nein, es war die Tatsache, dass es den Lord of Hawkwell scheinbar überhaupt nicht störte hier von ihm gesehen zu werden und er ihn so offen bei seinem Namen ansprach.

"Wie sie wünschen Bradley - nennen sie mich John." erklärte Buttercup mit gehobener Augenbraue. " Sir - is das n Spitzname Johnny?" fragte Scarface, der Winston nur grinsend musste. "Schein ja n harter Knochen zu sein das jüngchen." bemerkte er grinsend als er die Narbe in Scarsdales Gesicht bemerkte. "Jup Scarface - Spitzname du sagst es." antwortete John. "Nun, wenn sie sich ein Bild der Stadt machen Winston - warum sehen wir uns nicht zusammen das East-End an. Es soll ja eine sehr interessante gegend sein." bemerkte er ernst, während seine Begeleiter sich vor lachen wiehernd die Bäuche hielten.

Winston hatte zwar nicht die leiseste Ahnung was genau an der Situation so komisch war, doch beirren ließ er sich davon nicht.
Das Gedächnis von John schien nicht das beste zu sein, denn bereits gut 10 Sekunden nach seiner Bitte ihn Bradley zu nennen, benutzte er seinen anderren Vornamen - Winston - was natürlich an sich kein Drama war, doch sollte dem guten Mann entfallen dass er niemandem von dem Treffen erzählen durfte, bevor ihm die Erinnerung an diese Begegnung abhanden kam, dann wäre das wirklich fatal... und zwar für sie beide.
Jeder der ein sich wenig über ihn informiert hatte, wusste wie viel ihm an dem Konzern seiner Familie lag.
Dass er also jeden der den Namen Scarsdale auf so unwiederbringliche weise zerstörte auf grausame weise umbringen lassen würde, erschloss sich, zumindest aus Winstons Blickwinkel jedem klardenkenden Menschen, der sich genauer mit dem Gedanken beschäftigte.
"Sehr gerne. Was schlagen sie als Einstieg vor? Ein Gasthaus? Einen 'Club', oder sollen wir uns erst einmal die Straßen an sich zu Gemüte führen?" das wort Club sprach er dabei so aus, dass jeder wusste, dass er nicht der Illusion erlag es gäbe hier Lese- oder Cricket-Clubs, sondern über Nacht- und Fightclubs bescheid wusste.

"Nee Jungs - heute schon genug Club gehabt oder? Dieser Miese Schwinger von Jenkins hängt mir immer noch in der Leber." protestierte Scarface. Während Toby etwas von "Fauler alter Sack" brummelte und bemerkte.
"Na, ich würde mal behaupten das keinem von uns ein paar Pint gutes Ale schaden könnten oder Jungs. Ich würde sagen ich leier Mutter Thongs ein wenig von ihrem Bitter aus den Rippen, wenn ihr nachher was für mich klärt." stellte er fest. John runzelte die Augen, hatte der Kerl etwa schon wieder? Toby war ein guter Kerl, aber wenn er zu viel gesoffen hatte machte er ständig Müll. "Hast du wider bei den falschen Leuten anschreiben lassen kleiner."
er langte aus und packte den Jungen Mann im Schwitzkasten, ohne das er die geringste Chance hatte sich zu wehren. "Ich habs dir im guten Gesagt - aber du Vollidiot hörst ja nicht." knurrte er sichtlich aufgebracht. "Eines Tages wird deine Mutter heulen, wenn sie deine Eingeweide von der Straße kratzen, ich hab dir immer gesagt Finger weg von den Iren!" grollte John. "Aber gut, worum geht es denn genau, bereden wir das bei nem Bir. Ich bin nicht der Mann der einen Kumpel hängen lässt - was nicht heißt das ich gutheiße wie du dir dein Leben ruinierst junger Mann." sagte er und stieß Toby von sich. Dieser ließ den Kopf hängen und starrte einen Moment betreten auf die Füße.
"Du kriegst das beste Bitter von ganz London und reißt ein paar Iren den Hintern auf John, is das nichts." tönte er kurz darauf. "Pah - ich hatte mir eigentlich einen Unterhalsamen Abend vorgestellt." erklärte er. "Ach was, erstmal wird gesoffen." dröhnte Scarface. "Entweder trinken oder Iren Männer." meldete sich John zu Wort, seine Stimme war schneidend.

Winston folgte den Männern belustigt. Obwohl er selbst nicht auf solch dumme Gedanken gekommen wäre sich mit einer Bande von Straßenschlägern anzulegen und auch wenn solche Leute wie die um ihn herum normalerweise auch bei seinen Besuchen in diesem Viertel nicht sein Umgang waren, so waren sie doch recht erfrischend. es würde gut tun mal wieder einen echten Kampf zu führen, doch zunächst besuchten sie zusammen eine Schenke.
Weder hielt er sich zurück, noch tat er sich besonders hervor, schließlich wollte er den Eindruck eines Mannes erwecken, der in solchen Gegenden ausgewachsen und jetzt neu zu der Gruppe hinzugestoßen war.
Zusammen mit den anderen trank er das Ale, welches eine dickliche, ältere Frau zu ihrem Tisch brachte und hörte sich die Geschichte an.
Nach dem was er gehört hatte, war es kein wunder, dass dieser Toby jetzt in Schwierigkeiten steckte. So wie er sich verhalten hatte, hatte es garnicht anders kommen können, aber das man dies von der ersten Minute an hatte abesehen können, behielt er für sich.
"Dann lasst uns zur Tat schreiten. Je schneller das problem aus der Welt geschafft wird, desto besser." durchbrach Winston schließlich die Stille, als abzusehen war, wie sie vorgehen würden.
Hoffentlich würde er bei der Auseinandesetzung nicht allzu viele Blessuren von Messerstichen oder ähnlichem davontragen. So etwas war immer schwer zu erklären. Vor allem aber musste er auf sein Gesicht acht geben, da es sich nicht im nachhinein hinter ein paar Stoffschichten verbergen ließ.